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Wer verdächtigt, muss vorher anhören! (BGH – VI ZR 1241/20)

13. Mai 2022

CAROLIN CANEL

Berichten Medien über ein laufendes Ermittlungsverfahren gegen eine Person und ist die betroffene Person dabei erkennbar, gilt: Die Berichterstattung beeinträchtigt den Betroffenen bereits in seinem „Recht auf Schutz seiner Persönlichkeit und seines guten Rufes, weil sie sein mögliches Fehlverhalten öffentlich bekannt macht und (…) negativ qualifiziert.“ Es besteht die Gefahr, „dass die Öffentlichkeit die bloße Einleitung eines Ermittlungsverfahrens mit dem Nachweis der Schuld gleichsetzt und deshalb im Fall einer späteren Einstellung (…) etwas hängenbleibt.“

Daher müssen Medien bei einer Verdachtsberichterstattung folgende Voraussetzungen einhalten: Es muss ein Mindestbestand an Beweistatsachen gegeben sein und ein Informationsbedürfnis der Allgemeinheit bestehen. Außerdem ist eine Stellungnahme des Betroffenen einzuholen und der Beitrag darf keine Vorverurteilung darstellen.

Der BGH macht nun ausdrücklich klar: Die vorherige Anhörung ist unerlässlich. Sinn und Zweck ist, dass der Betroffene „selbst zu Wort kommen kann.“ Die Berichterstatter müssen sich um diese Stellungnahme ausreichend bemühen – also zum Beispiel, wenn sich der Betroffene in Untersuchungshaft befindet, den anwaltlichen Vertreter oder die Familie ermitteln. Eine Anhörung ist nach dem BGH selbst dann nicht entbehrlich, „wenn der Betroffene bereits im Vorfeld eindeutig zu erkennen gegeben hat, (…) keine Stellung nehmen zu wollen“. Vielmehr könne daraus nicht der Schluss gezogen werden, „dass er auch im Fall einer Konfrontation mit den in dem angegriffenen Artikel enthaltenen Vorwürfen (…) keine Stellungnahme abgegeben hätte.“ Insbesondere wäre auch „nur“ die Erlangung eines bloßen Dementis dazu geeignet, „der Gefahr einer Vorverurteilung des Betroffenen zu begegnen.“

Auch wenn in der Berichterstattung erwähnt wird, dass eine interne „Untersuchung“ das Fehlverhalten nicht bestätigt habe, reicht dies nicht aus. Trotzdem besteht die Verpflichtung, eine Stellungnahme einzuholen. Denn auch durch einen solchen Hinweis „wird für den unbefangenen Leser nicht bereits offenkundig“, dass der Betroffene die Vorwürfe abstreite.

Wichtig: Die Zulässigkeit der Berichterstattung kann bereits an der nicht erfolgten oder nicht ausreichenden Einholung der Stellungnahme beim Betroffenen scheitern.

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