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HEAVY METAL – BGH (I ZR 115/16) ZUM SAMPLING UND ZUM ENDE DER FREIEN BENUTZUNG

29. JULI 2020

GEROLD SKRABAL

Sampling bleibt ohne die Zustimmung der an der Originalaufnahme Berechtigten auch weiterhin in aller Regel unzulässig. Das gilt für Sampling ab dem 22.12.2002 selbst dann, wenn gar nicht die fremde Melodie verwendet wird. Denn freie Benutzungen im Sinne des § 24 UrhG  sind seitdem ausgeschlossen. Und auf die Zitatfreiheit wird man sich mehrheitlich ebenso wenig berufen können, wie etwa darauf, dass der Sample nur unwesentliches Beiwerk sei.

Das erfahren wir anlässlich des Rechtstreits, den die Kraftwerk-Musiker seit vielen Jahren führen, und der jetzt vor dem OLG Hamburg wieder einmal in eine neue Runde gehen soll. An dieses hat nämlich der BGH den Rechtsstreit mit seinem Urteil vom 30.04.2020 (I ZR 115/16 – Metall auf Metall IV, JurPC-Web-Dok. 0106/2020) zur neuen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.

Gemäß dieser BGH-Entscheidung liegt der Schlüssel nun offenbar doch in der Rechtsfrage der freien Benutzung. Das ist weit hergeholt. Denn § 24 UrhG ist nach seinem Wortlaut gar nicht auf die im Rechtsstreit maßgeblichen Rechte der Tonträgerhersteller aus § 85 UrhG  anwendbar. Das macht aber nichts, meinte der BGH schon in seinen früheren Entscheidungen. Da sprach er sich nämlich erstmals für eine grundsätzlich mögliche analoge Anwendung des § 24 UrhG aus (BGH, Urteil vom 20.11.2008, I ZR 112/06 – Metall auf Metall I, Rz. 21 ff., JurPC-Web-Dok. 0149/2009), welche bis dahin allenfalls bei Laufbildern (§ 95 UrhG) anerkannt war. Der BGH wollte damals die Analogie nur dann nicht gelten lassen, wenn es möglich ist, die auf dem Tonträger aufgezeichnete Tonfolge selbst einzuspielen (BGH, a.a.O., Rz. 23). Damit war jedoch das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) in seiner Sampling-Entscheidung nicht einverstanden, weil das in dieser Pauschalität eine Verletzung der Kunstfreiheit sei. Dieser solle durch eine einschränkende Auslegung der Tonträgerherstellerrechte, durch eine analoge Anwendung des § 24 UrhG oder durch die Zitatfreiheit Rechnung getragen werden (BVerfG, Urteil vom 31.05.2016, 1 BvR 1585/13). Damit war der Analogie der Weg bereitet, aber nur für die im Streitfall bereits festgestellten Nutzungen vor dem 22.12.2002.

Für die bislang nicht gerichtlich festgestellten Nutzungen seit dem 22.12.2002 ist nämlich die EU-Richtlinie 2001/29/EG zu beachten. Daher musste sich der BGH noch den Segen des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) einholen. Es kam zur Vorlage und zur nächsten, diesmal europäischen Sampling-Entscheidung (EuGH, Urteil vom 29.07.2019, C-476/17). Daraus ergibt sich zwar, dass es schon gar keine Vervielfältigung darstellen würde, wenn ein Nutzer in Ausübung der Kunstfreiheit einem Tonträger ein Audiofragment entnimmt, um es in geänderter und beim Hören nicht wiedererkennbarer Form in einem neuen Werk zu nutzen (EuGH, a.a.O., Rz. 29 ff.). Aber das war nach den Feststellungen des OLG Hamburg eben nicht so (BGH, I ZR 115/16 – Metall auf Metall IV, Rz. 41). Jedenfalls schließt der BGH aus dieser Sampling-Entscheidung darauf, dass § 24 UrhG nicht (mehr) anwendbar ist, auch nicht als immanente Schranke des Tonträgerherstellerrechts (BGH, a.a.O., Rz. 47).

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